Meine erste Liebe #45



Die erste große Liebe – welches Mädchen träumt nicht davon?

Meine Geschichte von der ersten großen Liebe begann viel eher, als ich mir dessen bewusst
gewesen wäre. Ist es nicht spannend, wie sich manche Wege kreuzen, ohne dass man
einander bemerkt?
Mein Vater nahm mich jedes Jahr mit auf ein kleines, privates Schützenfest das mein
Patenonkel mitgestaltete. Die Menschen dort waren mir so vertraut wie meine eigene Familie
und der Sohn dieses Patenonkels ist „mein kleiner Bruder“. Da rüttelt nichts und niemand dran.

Mit ihm zusammen galt es dann, Wasserschlachten auszufechten, sich auf Strohballen
Geheimnisse zu erzählen, durch die Wälder zu stromern, das erste Bier zu trinken, später den
ersten Sekt. Irgendwann waren wir dann so alt, dass ich ihn im ersten Suff nach Hause
getragen habe. So viele erste Male. Bei diesem Schützenfest traf ich auch zum ersten mal
einen Freund meines Bruders (Hallo Klischee, schӧn dich zu treffen!). Wir waren ein Team –
von Anfang an. Keine Rangelei war zu wild, kein Thema tabu, kein Anpfiff der Eltern zu ernst,
um nicht gemeinsam Unsinn zu bauen. Wir lagen im Alter recht weit auseinander. Im ersten
(Schützenfest) Jahr war er 12, ich 15. Das ganze Jahr über zählte ich die Tage bis zum
nächsten Sehen. Dann die Stunden. Doch er kam nicht. Er habe sich den Zeh gebrochen.
Wieder ein Jahr. Diesmal war er da – mit gebrochenem Mittelfußknochen. „Ich kann dich doch
nicht noch ein Jahr warten lassen“ Muss ich erwähnen, dass wir uns in der Zwischenzeit nicht
gehӧrt hatten? Nichts, gar nichts. Beim Fußballspielen trug ich ihm das Handy hinterher, dass
es nicht kaputt ging. Am Ende des Tages hatten wir die Nummern ausgetauscht. Nächstes Jahr
– mein Freund war mit dabei – und die Eifersucht auf diesen Jungen, in den ich so vernarrt war.
Er füllte ihn ab – ich lag mit ihm neben dem Klo auf den kalten Fliesen, bis die Magenkrämpfe
nachließen. Dann fingen wir an zu schreiben, Icq, schülerVZ, später Facebook. Ich beendete
meine Beziehung, ging nach Amerika für ein Austauschjahr, bekam eine „Warum ich dich liebe“-
Liste geschickt. „Hey, ich muss dich mal kurz benutzen, ich schreib das grade für meine
Freundin, aber kann das hier nich speichern, deswegen schicke ich es an dich, dass ich es
später kopieren kann. Ach, und…du musst das nicht lesen aber kӧnntest du vielleicht, um zu
gucken, ob ich irgendwo nen Fehler drin hab?“ Klar. Wir sind ja Freunde. Freude, die ich nicht
in Worte fassen kann. Etwas Besonderes. Freunde, die spüren, wenn es dem anderen schlecht
geht. Freunde, die jeden Tag stundenlang am Pc schreiben. Freunde, die sich über Musik
verständigen kӧnnen, die sich Nachrichten in Liedtexten hinterließen. Aber ich war so weit weg,
ich konnte so wenig tun, als seine Beziehung zu dem anderen Mädchen in die Brüche ging.
Aber ich kam für einen Trip zum Schützenfest aus den USA zurück. Der guten Tradition zuliebe.
Und natürlich war er da. Wir redeten die ganze Nacht – über sie, über ihn, was passiert war,
dass er Angst hatte, dass sie geht. Ich hielt seine Hand die ganze Nacht, bis er auf dem Sofa
einschlafen konnte, blieb vor dem Sofa sitzen bis es draußen hell wurde. Ich schenkte ihm eine
Kette, die ich in Amerika für ihn und seine Freundin gekauft hatte. Er nahm sie an und gab mir
einen Kuss auf die Wange. Schützenfest vorbei – bis zum nächsten Jahr. Aber so sollte es nicht
sein, irgendwas hatte sich verändert. Das andere Mädchen spielte keine Rolle mehr, aber ich
war eingeladen zu einer Feier im Nachbardorf, mit ihm zusammen. Er stand dann vor mir, viel
zu nah vor mir und sah mich an. „Du weißt ganz genau, wem die Kette gehӧrt. Nicht ihr. Dir. Ich
hab sie nur heute nicht dabei, musst du wohl nochmal wieder herkommen..“ Das tat ich.. es war
der Sommer meines Lebens. Wir fuhren zusammen mit meinem Auto ins Blaue hinein, gingen
Schwimmen, trafen uns mit Freunden zum Grillen – als Freunde. Bis zu einem Nachmittag, als
wir bei einem Kumpel von ihm den Nachmittag verbrachten. Ich stand gerade am Anfang einer
neuen Beziehung – der Mann bedeutete mir recht wenig, doch ich wollte endlich diesen kleinen
Jungen aus meinem Kopf bekommen, der mir jeden Tag aufs Neue den Kopf verdrehte, ohne
es wirklich zu merken. Dachte ich. Als wir an dem Abend gingen, schnappte er sich nach kurzer
Umarmung sein Fahrrad und ich ging in Richtung Auto. Allerdings schaffte ich nicht mehr als 5
Schritte, bis ich ihm zurief, er solle warten. Ich wollte zurück in diese Arme, zurück zu ihm. Er
wartete grinsend und auf dem Fahrrad sitzend auf mich und wir standen bestimmt fünf Minuten
so da, seine Stirn an meine gelehnt, und grinsten. Dann küsste er mich. „Was machen wir hier?
“ Er lächelte nur und küsste mich wieder. Mein Zeitgefühl ging mir verloren, ihm die Kraft im
Standbein – spielte alles keine Rolle. Hab ich schon gesagt, dass es der schӧnste Sommer
meines Lebens war?

I love you more than my Teddy, but pssssst, don’t tell him!

Wir spielten Katz-und-Maus, niemand sollte etwas mitbekommen. Wir waren nicht zusammen,
schliefen auch nicht miteinander, da war nur diese unbeschreibliche Wärme und Nähe.
Dabei blieb es für etwa fünf Monate. Dann wurde mehr daraus. Dann wurde es auch offiziell.
Unglaublich.

Ich war die glücklichste Frau der Welt, ihn an meiner Seite zu wissen, wenn er meine Hand in
der Ӧffentlichkeit hielt, wenn wir zusammen zu Feiern gingen oder Freunde trafen.
Es war das erste Mal, dass ich mich so vollkommen sicher und verstanden fühlte.

Aber wie jede schӧne Liebesgeschichte, ging auch an dieser der Zahn der Zeit nicht vorbei und
Routine stellte sich ein. Zudem bei mir das Gefühl, dass etwas nicht mehr stimmte. Er blockte,
ich hakte nach. Ich wurde extrem anhänglich, sicherlich auch nervig.

Wir verbrachten Silvester zusammen, dann fuhr er mit einem Freund in Skiurlaub. Als er
zurückkam, wollte er zum Geburtstag eines Bekannten. Am Tag darauf war Schluss. „Freunde
bleiben“.

Nicht mӧglich.

Wir haben keinen Kontakt mehr zu einander, wenngleich wir uns auch einmal im Jahr sehen.

An Schützenfest.

Du fehlst.

3 Kommentare:

  1. omg.. der text is soo wuuunderschön! ehrlich!
    Ich hab wirklich geheult :(

    wird alles.. ♥

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  2. Der Text ist wirklich wunderschön :)

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  3. ok, geheult hab ich jetzt nicht, aber ich find deine Schilderungen wunderschön (und tragisch zugleich)...sie spiegeln irgendwie dieses "natürliche" Verliebtsein wieder, es war zum greifen nahe...

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