Wenn aus Freundschaft Liebe wird



anonym
Von einem flüchtig zugeworfenem Lächeln über einen langanhaltenden Blickkontakt bis hin zu einem Kuss - schon redet man sich ein, man sei verliebt. Doch was ist Liebe? Wann weiß man, dass man verliebt ist? Ich kann auch heute nicht sagen, was Liebe ist. Doch ich hatte die Erfahrung, einem noch stärkeren Gefühl als der von unserer Gesellschaft anerkannten Liebe zwischen Mann und Frau zu begegnen. Die Liebe, die ich erlebt habe, war viel gefährlicher und kann mehr zerstören, als die "normale" Liebe imstande ist: die freundschaftliche Liebe.

Im Herbst 2010, machte ich Bekanntschaft mit einem Jungen, der anfangs ziemlich unscheinbar wirkte. Ich hätte zu dem Zeitpunkt niemals ahnen können, dass er später eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen würde. Kennengelernt haben wir uns durch die Internetplattform "SchuelerVZ", wo er mich aus heiterem Himmel anschrieb. Nach ein paar Wochen trafen wir uns in der Innenstadt. Da stand er nun. Liebe auf dem ersten Blick? Nein. Ich dachte mir nur: "Na gut, dann mach ich mir mal einen netten Nachmittag mit ihm", und wir zogen los. Wir gingen in das Starbucks in der Nähe und bestellten uns was zu essen und trinken. Wir plauderten über Schule, Familie, Hobbys, Interessen und alles weitere noch, das zu einer Kennenlern-Konversation dazugehört. Danach gingen wir an den Main, dem nahe gelegenen Fluss unserer Stadt. Es war echt lustig und die Anspannung, die man üblicherweise bei einem ersten Treffen bekommt, lockerte sich komplett auf. Ich habe mir vielleicht für einen Bruchteil einer Sekunde vorgestellt ob ich mir was mit ihm vorstellen könnte, aber schnell schüttelte ich diese Vorstellung aus meinem Kopf. Der Nachmittag näherte sich dem Ende zu.

Wir verbrachten noch viele viele weitere Tage miteinander. Es gab keine Woche, in der wir uns nicht sahen. Drei Mal die Woche war bei uns der Standard. Unsere Freundschaft keimte immer mehr auf, wir vertrauten uns immer mehr, unsere Gespräche wurden ernster und wir wurden "Beste Freunde". Er selbst bezeichnete mich als "seine Beste", doch beschlich mich die Befürchtung, dass er vielleicht doch mehr wollte.

Kurz nach Silvester, Anfang 2011, fuhren er und ich nach Frankfurt, wo wir beschlossen bummeln zu gehen. Der Tag war wie jeder andere. Doch an dem Tag verhielt er sich anders, so, als würde er mir etwas verheimlichen. In der Bahn: Auf der Hinfahrt spielte er an, wie er einem guten Freund von mir in der Silvesternacht etwas Besonderes gesagt hat. Dann fügte er hinzu, dass es um mich geht. Natürlich wurde ich neugierig und wollte wissen was er zu sagen hatte, doch er bereute die Anspielung und meinte, es wäre nichts Schlechtes und ich würde es bald erfahren. Das war ein Fehler. Hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst, was er gesagt hat, hätte ich wohl möglich die Freundschaft retten können, die danach Stück für Stück zerbrach.

Gegen Ende Januar besuchte ich den Tag der offenen Tür der Schule, zu der ich damals wechseln wollte. Wie per Zufall traf ich auf meinen Besten Freund, dessen kleiner Bruder auf die Schule geht. Ich freute mich ihn zu sehen, doch schon bald verlor ich ihn aus meinen Augen. Er war auf der Suche nach einem Mädchen, mit dem ich gut befreundet war. Ich dachte mir erst nichts dabei, die beiden schienen sich gut zu verstehen und ich versuchte mich zu freuen, dass zwei Freunde von mir sich miteinander anfreunden. Wie gesagt, ich versuchte.
An dem gleichen Abend saß ich alleine in meinem Zimmer und ließ den Tag Revue passieren. Mir war ganz kalt obwohl die Heizung voll aufgedreht war, ich zitterte und vergoss ein paar Tränen - ich tobte vor Eifersucht! Nie zuvor hatte ich so ein Gefühl erlebt. Ich griff zu meinem Handy und rief einen Freund an. Ich schilderte ihm meine Gefühlslage. Losgebunden von seinem Versprechen, rückte er nun mit der Sprache raus, was mein Bester ihm in der Silvesternacht anvertraut hatte. "Er liebt dich", verriet er mir. Mein Bester Freund soll die ganze Zeit darauf gewartet haben, dass etwas von mir kam. Nun wusste ich was Sache war. Als er mich wollte, wollte ich ihn nicht. Und nun, wo er mich nicht mehr wollte, wollte ich ihn. Aber wollte ich das das wirklich?

Ich versuchte mir von meiner beinah kranken Eifersucht nichts anmerken zu lassen. Anfang Februar, lud mein Bester mich zu ihm ein, einen Film anzuschauen. Ich schrieb meinem guten Freund, der von der festen Überzeugung war, dass mein Bester immer noch Gefühle für mich hat und das andere Mädchen abschießen würde, wenn ich den nächsten Schritt wage.
In seinem Zimmer machten wir es uns gemütlich und sahen uns Rush Hour 2 an. Plötzlich hatte ich das Verlangen ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, ganz kurz. Was passiert? Er fing an mich zu küssen. Ich hätte ihn von mir loslösen sollen, aber ich konnte es nicht. "Ich liebe ihn" redete ich mir ein. Ihm gesagt habe ich es an dem Tag nicht, zu sehr war ich von seinen Küssen verhindert und zu sehr wollte ich es erst von ihm hören. Wir gingen zum Glück nicht zu weit. Es machte sich dennoch eine Ruhe breit, die sehr anders und neu für uns war. Ich musste nachhause.

Nun war er in Berlin, auf einer Klassenfahrt. Für Sieben Tage.
Die Tage vergingen und ich ließ immer wieder den Ablauf des "Film-Nachmittags" in meinem Kopf zu und sehnte mich nach ihm. Er schrieb mir in einer SMS, dass er sich entschieden hat und nur mich an seiner Seite haben will. Und er mich liebe. Ich erwiderte ihm aber imme noch nicht mit einem "Ich liebe dich auch" und ließ ihn zappeln, aber im tiefsten meines Herzens wusste ich, dass ich für ihn etwas empfinde, was ich noch nie zuvor für jemanden zuvor empfunden habe. Aber war es wirklich Liebe?

Tag Sieben. Noch ein Tag, dachte ich. Doch zu früh gefreut. Er schrieb mir erneut eine SMS, laut der er sich vor mir noch mit jemand anderem treffen muss. Mit wem fragte ich jedoch nicht. An dem Tag, an dem wir uns eigentlich hätten treffen sollen, schrieb er mir am Abend: Mit "Ich will nicht dass unsere Freundschaft kaputt geht" versuchte er offenbar einen Rückzieher zu machen.

Ein Tag später.

Ich kann mich noch ganz genau an diesen Tag erinnern. Er war still. Zu still. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich fragte ihn mit wem er sich den Tag zuvor traf, und er nannte den Namen meiner Freundin. "Hattet ihr was?" fragte ich ihn und als Antwort bekam ich ein "Ja." Ich war schockiert. Er versuchte mich zu trösten. Und ich gestand ihm, dass ich ihn liebe. Er meinte aber, er bräuchte Zeit zum Nachdenken.Ich wollte gehen aber er bestand darauf, dass ich bleibe: "Wenn du jetzt gehst, weiß ich, dass wir uns nie wieder mehr sehen. Bitte bleib." Ich versprach ihm auch weiterhin den Kontakt zu ihm aufrecht zu erhalten, doch ich schaffte es nicht lange. Ich ertrug es nicht in Facebook per Startseite mitzulesen, wie er und meine Freundin rumturtelten. Er meinte zu mir, dass er sich noch entscheiden müsse, ob er sie oder mich will. Das war eine Lüge. Eine andere Freundin von mir fragte ihn wen er will, und er sprach nur von dem anderen Mädchen. Das war zu viel für mich. Was folgte, waren zwei Wochen Liebeskummer. Vernachlässigung der Schule, Nächte ohne Schlaf und ein durchnässtes Kissen waren ein Teil dieser Erfahrung. Ich weiß nicht ob es Rache war, aber als ich ihn Erfahrung gebracht bekam, dass das Mädchen für das er sich entschieden hat unsicher wegen ihm war, hab ich ihr die ganze Geschichte erzählt. Sie war bestürzt und hat ihn ein für alle mal abgeschrieben. Lustig, den parallel zu ihm hatte sie noch einen anderen am Start..

Nun war es vorbei, dachte ich. Mein Bester Freund wollte nichts mehr mit mir zutun haben. Er fühlte sich von mir hintergangen. So dumm wie ich war, habe ich sogar versucht die beiden wieder zusammen zu bringen, aber er fand ich würde es nur noch schlimmer machen.

Etwa zwei Monate später, bekam ich um 1 Uhr nachts eine SMS. Sie war von ihm. Er schrieb, dass er mich vermisse und er sich mit mir aussprechen möchte. Ich zögerte erst aber vereinbarte dann doch ein Treffen mit ihm.
Die Aussprache lief gut und wieder begannen wir uns regelmäßig zu treffen. Aber es fühlte sich falsch an. Ich wusste nicht, ob ich ihn noch liebe oder ob ich ihn überhaupt geliebt habe. Ich war verwirrt. So war es dieses Mal ich, die den Kontakt abbrach.

Die Liebe kam, die Freundschaft ging.

Doch eins darf man nicht vergessen:
Wenn eine Geschichte kein Happy End hat, ist sie noch nicht zu Ende.